„Personzentrierte Haltung wirkt sich in der Gemeinde aus“

Ein Gespräch mit Ilka Greunig, Ausbilderin für Personzentrierte Seelsorge

Pastorin Ilka Greunig

Sonja Domröse: Ilka, du bist seit vielen Jahren Ausbilderin in der Fachgruppe Personzentrierte Seelsorge (PzS) des ZfSB und arbeitest sowohl als Gemeindepastorin wie auch als Seelsorgerin in einem psychiatrischen Krankenhaus. Wie wirkt sich deine Ausbildung in PzS in deinen beiden Arbeitsfeldern aus?

Ilka Greunig: In der Gemeinde herrscht eine sehr offene Atmosphäre. Das trifft für den Gottesdienst zu, aber auch für die überwiegend offenen und niedrigschwelligen Angebote. Die Menschen, die kommen, erfahren Wertschätzung. Es wird nicht bewertet. Das ist allen Mitarbeitenden der Gemeinde zu verdanken, ehrenamtlichen und beruflich Tätigen. Ich glaube jedoch, dass deren Haltung von der Haltung der Pastorin und des Pastors beeinflusst wird. Mein Mann und ich teilen uns die Pfarrstelle in der Paulusgemeinde. Wir sind beide personzentriert ausgebildet. Viele Menschen in der Gemeinde wissen uns als Seelsorgende zu schätzen und suchen das Gespräch mit uns. Die personzentrierte Haltung wirkt sich in allen Bereichen der Gemeindearbeit aus – von der Konfigruppe bis zur Kirchenvorstandssitzung. Sie schafft einen Raum, in dem Menschen ihre Stärken einbringen und innerlich wachsen können. Auch in Konfliktsituationen steht die gegenseitige Akzeptanz an erster Stelle, aber auch die eigene Echtheit, mit der wir uns zeigen.

Die Zeit als Psychiatrieseelsorgerin ist am 29. Februar dieses Jahres zu Ende gegangen. Die personzentrierte Haltung war die Grundlage meiner seelsorglichen Arbeit. Sie wirkte durch alles Zuhören und Reden, Schweigen und Aushalten hindurch.

Nach Rogers (Carl R. Rogers, Begründer des personzentrierten Ansatzes) ist eine gute Beziehung die grundsätzlichste und elementarste Voraussetzung für jedes seelsorgliche Gespräch. Das habe ich in der Psychiatrie ganz besonders intensiv erlebt. Das Erleben einer guten und vertrauensvollen Beziehung in der Seelsorge wurde von den Menschen als kostbarer Schatz erlebt. Dabei war es besonders wichtig, als Seelsorgerin authentisch zu sein. Psychisch erkrankte Menschen haben oft eine ganz besondere Antenne dafür, ob Menschen eine Rolle nur spielen oder sich echt zu erkennen geben.

Die voraussetzungslose Akzeptanz eines Menschen bewahrt die je eigene Würde, auch wenn der Mensch sich in einer psychischen Ausnahmesituation befindet. Und auch, wenn ich die Gedankenwelt eines Menschen nicht nachvollziehen kann, weil er beispielsweise unter einer Psychose leidet, kann ich als Seelsorgerin auf der Ebene der Gefühle anknüpfen.

Du absolvierst momentan eine Fortbildung zur Supervisorin in Mainz. Was sind deine Erfahrungen dort? Wie sieht das Curriculum aus?

Im ersten Teil der Fortbildung, in dem ich mich gerade befinde, geht es um Coaching und Einzelsupervision. Der pesonzentrierte Ansatz, mit dem ich als personzentrierte Seelsorgerin, Ausbilderin und Beraterin schon lange arbeite, kommt nun auch im Arbeitsleben der Supervisand*innen und Coachees zum Tragen. Das ist nochmal ein spannendes neues Arbeitsfeld. In der Fortbildung spielt neben dem personzentrierten auch der systemische Ansatz eine zentrale Rolle. Als besonders erlebe ich auch in Mainz das Klima im Kurs, das von Wertschätzung, Empathie und Authentizität geprägt ist. Das macht für mich jede personzentrierte Fortbildung zu einem besonders wertvollen Erlebnis.

Die Ausbildung zur Supervisorin dauert insgesamt drei Jahre. Nach anderthalb Jahren und dem erfolgreichen Abschluss des ersten Moduls bin ich Coachin. Die Grundpfeiler der Ausbildung sind die Kurszeiten in Mainz, die Einzelsupervision bei einer Lehrsupervisorin und die Lernsupervisionen, in denen ich als Supervisorin Supervisand*innen begleite.

Die Fortbildung ist nach den Standarts der DGSv (Deutsche Gesellschaft für Supervision) organisiert. Das ist eine Art Gütesiegel, das die hohe Fachlichkeit der Ausbildung garantiert.

Diese Fortbildung wird von der „Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung e.V.", kurz GwG, verantwortet. Sie ist der größte Fachverband für Psychotherapie und Beratung. Du begegnest dort also nicht nur kirchlichen Mitarbeitenden, sondern in der Mehrheit Menschen, die nicht im kirchlichen Kontext arbeiten. Was ist daran spannend für dich, was möglicherweise auch herausfordernd?

Der Einblick in die Arbeitswelt der anderen Kursteilnehmenden ist spannend und erweitert den eigenen Horizont. Gleichzeitig stelle ich immer wieder fest, dass die Probleme am Arbeitsplatz oft ähnlich gelagert sind.

Voraussetzung für die Teilnahme an der Fortbildung als Supervisiorin sind ein abgeschlossenes Studium, eine Ausbildung in Gesprächsführung oder Beratung und sehr viel Praxiserfahrung in diesem Bereich. Dazu kommen noch viele Stunden Supervision, die man selbst in Anspruch genommen hat. Diese gleiche Basis verbindet uns. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden ist bisher systemisch ausgebildet, die andere Hälfte personzentriert. Wir können viel voneinander lernen.

Eine letzte Frage: Was hat dich dazu motiviert, diese Ausbildung zu beginnen und wo möchtest du deine Kompetenz als Supervisorin einsetzen?

Ich erlebe den personzentrierten Ansatz in allen Bereichen meiner Arbeit als sehr hilfreich. Ich bin der Überzeugung, dass diese Haltung auch für Kirche als Arbeitgeberin ein großer Gewinn für alle Beteiligten ist.

Den letzten Anstoß, die Fortbildung zu beginnen, hat mir der Grundkurs Personzentrierte Seelsorge und Beratung am ZfSB gegeben, den ich geleitet habe. Ich habe es als sehr hilfreich und weiterführend für die Teilnehmenden erlebt, die eigene Arbeit in der personzentrierten Haltung zu reflektieren und Kommunikation zu professionalisieren.

Ich möchte meine Kompetenz als Supervisorin für die Begleitung und Ausbildung von ehrenamtlich und beruflich Mitarbeitenden in der Landeskirche einsetzen. Zufriedene und starke Mitarbeitende sind wichtig für die Zukunft der Kirche. 

Interview: Sonja Domröse